EDV-Gerichtstag 2024: KI und digitale Normen in der Justiz

Saarbrücken wurde erneut zum Zentrum der digitalen Justiz: Der EDV-Gerichtstag 2024 wirft seine Schatten voraus. Vom 11. bis 13. September trafen sich Jurist*innen, IT-Expert*innen und Entscheidungsträger*innen, um die neuesten Entwicklungen in der E-Justice zu diskutieren. Schwerpunkte waren KI-gestützte Rechtssysteme, digitale Beweissicherung und quantensichere Verschlüsselung. Welche Innovationen werden die Justizlandschaft nachhaltig prägen?

Autor: Michael Quast | Experte für KI-Transformation

Präsentation und Diskussion bei einer Tagung

Chancen und Herausforderungen mit KI in der Justiz

Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in der Justiz immer mehr an Bedeutung. Durch die fortschreitende Digitalisierung und immer komplexere Rechtsfälle bietet KI das Potenzial, Effizienz und Qualität der Rechtsprechung deutlich zu steigern. KI-Systeme ermöglichen es, riesige Datenmengen schnell zu analysieren und Muster zu erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen könnten. Dies kann die Arbeitsbelastung von Personen im Richteramt und in der Anwaltschaft erheblich reduzieren und die Genauigkeit von Entscheidungen verbessern. Doch dieser technologische Fortschritt wirft auch ethische und rechtliche Fragen auf.

Ein konkretes Beispiel für den Einsatz von KI ist die automatische Anonymisierung von Gerichtsentscheidungen, bei der personenbezogene Daten mithilfe von Algorithmen entfernt werden, bevor die Dokumente veröffentlicht werden. Auch die Extraktion von Meta-Daten aus juristischen Texten gehört zu den Anwendungsgebieten von KI. Thomas Langkabel, National Technology Officer bei Microsoft Deutschland, verweist auf die noch bestehenden Herausforderungen: „KI kann verschiedene Antworten auf dieselbe Frage liefern – diese können sowohl richtig als auch falsch sein.“ Diese Aussage verdeutlicht, dass die Technologie neben ihren Chancen auch Risiken birgt.

Ethische Fragen und Datenschutz

Neben den praktischen Vorteilen stellt der Einsatz von KI auch Fragen zur Transparenz und Unparteilichkeit. Während Menschen im Richteramt ihre Urteile begründen müssen, bleibt der Entscheidungsprozess von KI oft undurchsichtig, was das Vertrauen in die Technologie schwächen kann. Ein weiteres Problem liegt in möglichen Vorurteilen, die durch die Verwendung von Trainingsdaten in die Algorithmen einfließen könnten. Auch der Datenschutz ist ein zentrales Thema, insbesondere im Umgang mit sensiblen Informationen. Staatssekretärin Dr. Angelika Schlunck betonte die Notwendigkeit, Fehlleistungen der KI wie „Halluzinationen“ und Verzerrungen zu minimieren.

Digitale Beweissicherung

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die digitale Beweissicherung. Technologien wie Blockchain und Hashbäume garantieren die Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit digitaler Beweise. Diese Systeme bieten eine hohe Sicherheit und ermöglichen es, Beweise effizient zu speichern und abzurufen. Doch auch hier gibt es Risiken, wie die technische Komplexität und die Gefahr von Systemausfällen. Ein prominenter Fall in den USA zeigte, wie Blockchain genutzt wurde, um die Integrität von Beweisen zu sichern. In einem anderen Fall in Deutschland führten technische Probleme jedoch zu Verzögerungen im Prozess.

Quantensichere Verschlüsselung

Die quantensichere Verschlüsselung bietet eine Zukunftsperspektive für den Schutz sensibler Daten in der Justiz. Diese Technologie basiert auf mathematischen Problemen, die selbst von Quantencomputern nicht gelöst werden können. Dies könnte den Datenschutz und die Sicherheit von Gerichten erheblich stärken. Allerdings steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen, und es gibt keine einheitlichen Standards.

Der EDV-Gerichtstag 2024 auf einen Blick

Der EDV-Gerichtstag 2024 verdeutlichte, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Justiz auf großes Interesse stößt, jedoch noch viele Fragen offen bleiben. Während die potenziellen Effizienzgewinne, wie schnellere Entscheidungsfindung und präzisere Analysen, hervorgehoben wurden, betonten Expertinnen auch die Risiken und Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Transparenz von KI-Entscheidungen. Skepsis bestand vor allem in Bezug auf die Abhängigkeit der Justiz von Maschinen, insbesondere wenn nicht nachvollziehbar ist, wie ein KI-System zu einem bestimmten Ergebnis kommt. Trotzdem wurde deutlich, dass KI in naher Zukunft zunehmend unterstützende Funktionen übernehmen wird, insbesondere bei der Verarbeitung von Akten und der Erstellung von Vergleichsvorschlägen. Die Entwicklung von rechtssicheren Standards und die enge Zusammenarbeit zwischen juristischen Fachkräften und Informatikerinnen sind dabei von entscheidender Bedeutung.

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