Der öffentliche Nahverkehr steht vor einem Wandel: In Langen, Hessen, testen autonome Shuttles im Projekt KIRA die Zukunft des ÖPNV. Unterstützt durch KI und begleitet von Sicherheitsfahrer*innen, sollen sie den urbanen Verkehr revolutionieren. Doch wie funktioniert das System im Alltag? Die kommenden Wochen könnten zeigen, ob autonomes Fahren zur neuen Normalität im öffentlichen Verkehr wird.

Projekt KIRA: Ein Pionier im autonomen Nahverkehr
Das Projekt KIRA markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung autonomer Mobilität im öffentlichen Nahverkehr. In einer Zeit, in der technologische Innovationen den Alltag prägen, setzt KIRA auf die Weiterentwicklung des ÖPNV durch den Einsatz autonomer Fahrzeuge. Dieses Projekt, dessen Name für „KI-basierter Regelbetrieb autonomer On-Demand-Verkehre“ steht, zielt darauf ab, den urbanen Verkehr umweltfreundlicher und effizienter zu gestalten. Die Einführung solcher Technologien könnte nicht nur den Verkehrsfluss verbessern, sondern auch die Lebensqualität in städtischen Gebieten steigern, indem Staus reduziert und die Umweltbelastung minimiert werden.
Die Deutsche Bahn, ein Vorreiter im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen, führt das Projekt KIRA gemeinsam mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) an. Diese Partnerschaft ist ein Paradebeispiel für die Zusammenarbeit zwischen etablierten Verkehrsunternehmen und innovativen Technologieanbietern, um wegweisende Mobilitätslösungen zu entwickeln. Neben der Deutschen Bahn und dem RMV sind weitere Partner beteiligt, die ihre Expertise in den Bereichen KI und autonomes Fahren einbringen. Die Zusammenarbeit dieser Akteur*innen unterstreicht die Bedeutung von interdisziplinären Allianzen bei der Bewältigung der Herausforderungen, die die Mobilität der Zukunft mit sich bringt.
Autonomes Fahren auf Level 4 – was bedeutet das?
Fahrzeuge der Stufe 4 benötigen keinen menschlichen Fahrer mehr, solange sie sich in einem vorher definierten Gebiet bewegen. Anders als bei niedrigeren Automatisierungsstufen kann das System in der vorgesehenen Betriebsumgebung alle Fahraufgaben selbstständig übernehmen. Das Fahrzeug fährt, hält, erkennt Hindernisse – und entscheidet. Ein Fahrdienstleiter oder Begleiter ist lediglich aus Sicherheitsgründen an Bord, greift aber im Normalbetrieb nicht ein.
Ziele des Projekts: Mehr Mobilität, weniger Lücken
Das Projekt hat zwei große Zielsetzungen:
- Technologische Machbarkeit und Sicherheit nachweisen: Kann KI autonomes Fahren im Alltagsbetrieb zuverlässig und sicher umsetzen?
- Erreichbarkeit verbessern: Wie kann KI helfen, Mobilitätsangebote in strukturschwachen, ländlichen Gebieten zu sichern oder sogar auszubauen?
Der Mangel an Personal im Fahrdienst, steigende Betriebskosten und die Klimaziele erfordern innovative Lösungen. Autonome Fahrzeuge könnten neue Linien wirtschaftlich ermöglichen – besonders dort, wo sich der klassische Busbetrieb nicht mehr lohnt.
Technologiepartner und Testumfeld
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit rund 11 Millionen Euro gefördert. Koordiniert wird es von der Deutschen Bahn (DB) und dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV). Technische Umsetzungspartner sind u. a. das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Fahrzeughersteller EasyMile sowie mehrere KI-Entwickler.
Zum Einsatz kommen speziell entwickelte Shuttles mit umfangreicher Sensorik, Kamera- und Radarsystemen, die die Umgebung in Echtzeit analysieren. Unterstützt werden sie von einer digitalen Infrastruktur mit vernetzten Ampeln, cloudbasiertem Management und präziser Positionsbestimmung. Der erste Streckenabschnitt verläuft zwischen dem Bahnhof Bad Homburg und einem Technologiepark.
Fahrgäste an Bord – realer Betrieb mit echten Reaktionen
Neu an KIRA ist nicht nur die technische Komplexität, sondern der Betrieb mit tatsächlichen Nutzern im Regelverkehr. Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten sich im Vorfeld als Testfahrgäste bewerben. Erste Erfahrungen zeigen eine hohe Neugier, aber auch Vorsicht. „Ich war überrascht, wie ruhig das Fahrzeug fährt – und dass es an jeder roten Ampel zuverlässig hält“, sagt eine Testperson gegenüber dem RMV.
Trotzdem bleibt bei vielen Menschen ein Gefühl der Unsicherheit. Um Vertrauen zu schaffen, ist bei den ersten Fahrten immer geschultes Personal an Bord, das im Notfall eingreifen kann.
Herausforderungen und offene Fragen
Der Betrieb autonomer Fahrzeuge im Alltag bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich:
- Rechtslage: Wer haftet bei einem Unfall? Wie wird die Verantwortung verteilt zwischen Betreiber, Hersteller und Softwareanbieter?
- Infrastruktur: Die Strecken müssen technisch vorbereitet sein – mit Sensorik, digitaler Vernetzung und stabilem Mobilfunknetz.
- Akzeptanz: Ohne gesellschaftliche Unterstützung werden sich neue Mobilitätskonzepte nicht durchsetzen – auch wenn sie technologisch funktionieren.
Die Projektverantwortlichen setzen daher auf Transparenz und partizipative Entwicklung: KIRA wird wissenschaftlich begleitet und regelmäßig evaluiert. Die Erkenntnisse fließen in die nationale Strategie für automatisiertes Fahren ein.
Der Weg in die Zukunft: Skalierung denkbar
Nach dem Start in Bad Homburg sollen weitere Standorte folgen. Perspektivisch soll KIRA auch als Modellprojekt für andere Städte und Regionen dienen. Ein Ziel ist es, autonome Fahrzeuge als festen Bestandteil des Nahverkehrsplans zu etablieren – insbesondere dort, wo klassische Lösungen unwirtschaftlich sind.
Fazit: Ein echter Mobilitätsmeilenstein
KIRA ist mehr als ein Techniktest – es ist ein gesellschaftliches Experiment, das zeigen soll, wie künstliche Intelligenz Mobilität effizienter, inklusiver und klimafreundlicher machen kann. Ob der autonome Linienbus bald zum Alltag gehört, hängt nicht nur vom Erfolg des Projekts ab, sondern auch von politischen Entscheidungen, infrastruktureller Aufrüstung und gesellschaftlicher Offenheit.